ICI Projects 
Pasolini@ICI

   
  vertical space
 
Oltre L'EuropaJenseits Europas
 
  Intro | Start Programma | Programm Concetto Partecipanti | Teilnehmende Contatti | Kontakt   Login  
    italianodeutsch        
  Seite 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9  

PDF

 
         
  Wir wollen danach fragen, inwieweit sich in seinem Interesse für abendländische Grundtexte und Motive auch und gerade das Interesse für das Andere der abendländischen, europäischen Tradition widerspiegelt. Pasolinis „Orestiade“ wäre dabei ein gutes Beispiel für die Komplexität, in der sich bei Pasolini die unterschiedlichen Dimensionen verschränken: Die Beschäftigung mit dem Anderen einer in einen nihilistischen Konsumismus mündenden westlichen Welt; die Beschäftigung mit den fremd gewordenen abendländischen klassischen und religiösen Traditionen; die Beschäftigung schließlich mit einer bereits diesen Traditionen ihrerseits fremd gewordenen archaisch-‚barbarischen’ Welt; und der Versuch dadurch das eigene Selbstverständnis zu erschüttern.

Die „Orestie“ des Aischylos gilt als klassische Ausdrucksform einer harmonisch-konservativen Integration eines unerträglich gewordenen sakral-gewaltsamen Erbes in eine neue Ordnung. Sie steht – nicht nur für Pasolini – für die gelungene transformierende Bewahrung der archaischen Erinnyen in wohlwollende Eumeniden.[1] Die „Orestie“ enthielt in den Augen Pasolinis so etwas wie eine Essenz der Geschichte des modernen Afrikas – insbesondere die Transformation der Erinnyen in Eumendien betrachtete er als das brennende Problem des Afrikas der sechziger Jahre.[2] Er machte damit einerseits (De-)Kolonialisierungsprozesse neu sichtbar, reicherte sie mit vielschichtigen geschichtlichen und literarischen Resonanzen und Dimensionen an, poetisierte das, was im alltäglichen Nachrichtenstrom banalisiert und seinen geschichtlichen Dimensionen verlustig geht. Wie auch in seinem „Paulus“ und in anderen Arbeiten entstand damit das, was Hervé Joubert-Laurencin als grundlegendes Thema Pasolinis bezeichnete, die „Koexistenz von Vergangenheit und Gegenwart“.[3] >>>