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Pasolinis Pylades erkennt, dass die durch Integration der Erinnyen ermöglichte neue Ordnung auch Geschichtsvergessenheit erfordert, macht sich in seiner Weigerung, Orestes in diesem Vergessen zu folgen, erst zum wirkungslosen Außenseiter, dann zum Revolutionären, ist aber letztendlich für sein Scheitern dankbar, da ein Erfolg in seinen Folgen den gleichen Strukturen verhaftet geblieben wäre.[4]
Auch „Medea“ hat einen deutlich europäischen Fokus, wurde bereits von Zeitgenossen als „Verhältnis Europas, dieser kalkulierenden Welt ohne Götter, zu den Ländern der Dritten Welt“[5] verstanden. Pasolini beschäftigte sich während der gesamten 60er Jahre mit vorindustriellen, religiös geprägten Kulturen und suchte hier nach potentiellen Verbündeten gegen einen triumphierenden Kapitalismus und Kommunismus. „Medea“ nun dreht sich um eine Zentralfrage Pasolinis, nämlich dem Umgang mit dem Sakralen, dem Mythos und sein Verhältnis zu einem rationalistischen, pragmatischen materialistischen Europa qua Griechenland qua Jason. In Medea begegnet ein männlich und weiß und rational gewordenes Europa einer verlorenen oder verdrängten magischen, sakralen, ‚weiblichen’ Welt. Dem Film scheint es um das Zerbrechen der zentaurenhaften Verbindung von Animalischem und Menschlichen zu gehen, um die Herausarbeitung einer unmöglichen Synthese.
Diese unmögliche Synthese drückt sich auch formal aus, in einem irritierenden Wechsel der Genres, einer asynchron eingesetzten, fremdartigen Musik, der bewussten Verwendung von Anachronismen und scheinbaren schnitttechnischen Unzulänglichkeiten etc. Pasolini erarbeite damit eine Filmsprache, die sich Homogenisierungstendenzen der „Tyrannei der Massenmedien“ entzog und zugleich eine Klassen und Nationen überwindende „transnationale“ Sprache bilden sollte. >>>
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